Budućnost nemačkog jezika u Srbiji

Die Zukunft der deutschen Sprache

 

Ich arbeite seit 17 Jahren als Deutschlehrerin an einem Gymnasium, aber an jedem 1. September (am ersten Schultag), komme ich mir wie eine Wahrsagerin vor. Ich weiß im Voraus, was in Klassenzimmern passieren wird:

Ich komme in die erste Klasse, zu den Schülern, die mir neu sind und mit denen ich in den nächsten vier Jahren zwei Stunden pro Woche verbringen, mich mal mit ihnen streiten mal versöhnen werde. Ich wünsche ihnen ein herzliches Willkommen in unserem Gymnasium und stelle mich kurz vor, natürlich auf Deutsch. Und jedes Jahr geschieht dasselbe: Ich bemerke gleich die hilflosen, sogar panischen Blicke meiner neuen Schüler und weiß: Sie haben mich gar nicht verstanden. Und wie jedes Jahr mache ich den gleichen Scherz, diesmal auf Serbisch: „O, nein. Ich bin wie alle Lehrer zerstreut, muss mich wohl geirrt haben. Ihr müsst eine Russisch oder Französisch lernende Klasse sein?“ Darauf  beginnen viele zu lächeln und beruhigen mich: „Nein, Sie haben sich nicht geirrt, wir lernen Deutsch seit vier oder sechs Jahren!“

Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die oben beschriebene Szene zur Vergangenheit der deutschen Sprache gehört. Hier muss eine logische Frage gestellt werden: Wie ist es dazu gekommen, dass so viele Schüler nach jahrelangem Lernen Deutsch nur für eins der Schulfächer halten, in denen sie getestet und benotet werden müssen, wo man grammatische Regeln auswendig lernt und dann glaubt, dass man Präsens oder Perfekt beherrscht?

Als Lehrer finde ich es peinlich, wenn sie mir erklären, die Lehrer seien schuld an ihren schlechten Deutschkenntnissen. Natürlich haben diese Teenager das Recht darauf, alles schwarz-weiß zu sehen. Aber wir als Lehrer, die jeden Tag mit denselben Problemen kämpfen, verstehen das besser. Das Schulsystem, das Schulprogramm, Lehrbücher, Lehrer, Schüler, die sozialen Umstände? Auf wen oder was kann man mit dem Finger zeigen und sagen, er trägt die Schuld daran?

Hoffentlich beschäftigt sich jemand in unserem Bildungsministerium  mit dieser Frage, aber da meine Schüler und ich keine Zeit haben, auf die Antwort zu warten, krempeln wir die Ärmel hoch und konzentrieren uns auf die Zukunft.

Und allmählich, durch Dialoge, Spiele, Witze, kurze Filme vom Alltag ihrer Gleichaltrigen ergreifen sie, dass mitten in Europa 120 Millionen Menschen rund um die Uhr von den gleichen Sachen wie sie selber reden, nur dabei die anderen Sprachmitteln verwendend.

Und langsam erwacht in ihnen der Wunsch ihre eigenen Gedanken auf Deutsch mitzuteilen. Diesen Wunsch erkenne ich schon in ihren Augen, wenn sie die Antwort auf meine dümmsten Fragen finden, wenn ich einen Außerirdischen spiele, der die Welt auf der Erde nicht versteht oder wenn sie bei der Argumentation pro und contra klüger als der Mitspieler sein möchten.

 

Das, was dabei zählt, sind kleine Siege, die man jeden Tag erkämpft – jedes neue Wort, das die Schüler erwerben und nützlich für die Kommunikation finden: jede neue Beziehung zwischen den Wörtern – was hat der Mund mit der Mündung zu tun, das Buch mit der Buche, ob es solche Analogien im Serbischen gibt (und meistens finden wir sie tatsächlich).

 

Und dann kommt der dritte Schritt – dass die Schüler den Sinn zum Deutschlernen auch außerhalb der Schule finden. Zum Glück gibt es das Goethe Institut in Belgrad, mit seinen zahlreichen Aktivitäten. Dort haben meine Schüler bei einer Vorlesung ein ideales Vorbild gefunden: die junge deutsch-kroatische Schriftstellerin Marica Bodrozic, die mit 10 Jahren nach Deutschland kam, ohne ein Wort Deutsch zu können und die vor ein paar Jahren einen Literaturpreis zur Förderung der deutschen Sprache erhielt. Also auch wir, Deutschlernende, können unseren Platz in der Zukunft der deutschen Sprache finden. Denn die Muttersprache erbt man, man lernt sie imitierend und unbewusst. Die Fremdsprache dagegen wählt man, man erforscht und entdeckt sie mit viel Vorliebe und Geduld, man spielt mit ihr und genießt das alles.

Es ist für einen deutschlernenden Schüler in Serbien wirklich gar kein Problem, einen Grund zum Deutschlernen zu finden. Es genügt eigentlich nur, dass man die Web-Seite des Gothe Instituts öffnet, mit den unterschiedlichsten Stipendienangeboten zum Studieren und Deutschlernen in Deutschland oder dass man sich die Liste der Firmen anschaut, in denen Deutsch bevorzugt wird, weil sie in den letzten Jahren von den deutschen Unternehmern  privatisiert wurden (Kennen Sie die Antwort auf die Frage: „Wie kann ich möglichst schnell Deutsch erlernen, denn ich brauche es in meinem Beruf?“ Wenn ja, schicken Sie mir bitte die Antwort!). Jeder kann sich auch an unseren Zoran Djindjic erinnern und seine Beziehungen mit Deutschland, die auch jetzt durch Stipendien für die besten Studenten gepflegt werden. Und nicht zuletzt – „Deutsch ist etwas für kluge Köpfe!“ – hat ein Schüler einmal gesagt. Deswegen steigt das Interesse am Deutschlernen unter den Eltern und Schülern hier immer mehr und immer häufiger tauschen die Schüler am Gymnasium die zweite Fremdsprache  und entscheiden sich fürs Deutsche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gegenwart und die Zukunft des Deutschen in der Welt anders als in Serbien ist.

Die Zukunft der deutschen Sprache braucht man an unserer Schule gar nicht zu suchen: Jeden Tag gehen meine Schüler und ich am Schild SCHULEN – PARTNER DER  ZUKUNFT vorbei und wissen: Es lohnt sich.

 

 

Autorin:

Vesna Nikolovski

Deutschlehrerin am Dritten Belgrader Gymnasium

Belgrad, Serbien

O Vesna Nikolovski

Profesorka nemačkog jezika u Trećoj beogradskoj gimnaziji i Goethe Institutu u Beogradu
Ovaj unos je objavljen pod Iz moje prakse. Zabeležite stalnu vezu.

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